Ernst Rummel
Achtung: Solidarische Bordsteinkante!
„Ich kann keine Kirche besuchen, wo sie für den Führer und den Sieg Deutschlands beten“. Statt den christlichen Gottesdienst zu besuchen, kauft der Nürnberger Monteur Ernst Rummel (*1880) ein gelbes Taschentuch, steckt es als Zeichen der Solidarität mit den zum Tragen des „Judensterns“ gezwungenen Juden gut sichtbar in die Brusttasche seiner Jacke und nimmt jeden Freitagabend am jüdischen Gottesdienst in Gostenhof teil. Für hungerleidende russische Zwangsarbeiterinnen kocht er fast täglich Kartoffeln, die sie im Vorbeigehen am Bordstein einstecken konnten. Nachdem unter anderem die Synagoge am heutigen Hans-Sachs-Platz bereits 1938 zerstört worden war, dienten zu dieser Zeit Kulturräume in der Oberen Kanalstraße 25 in Gostenhof als letzte Orte jüdischen Lebens in Nürnberg.
Dass das Tragen des Gelben Sterns als Nichtjude ein lebensgefährlicher Akt war, interessierte Rummel wenig, ging es doch darum, gegen die regimenahe Mehrheitsströmung der evangelischen Kirche ein Zeichen zu setzen und mit den Verfolgten zu sympathisieren. Rummels humane Haltung und sein unerschütterlicher Mut wurden in weiteren (un-)alltäglichen Taten deutlich: Ein Zeitzeuge berichtete, dass Rummel ab 1942 eine befreundete jüdische Familie regelmäßig mit kleinen Mengen an Lebensmitteln versorgte, die er sich vom Mund abgespart hatte. Gleichzeitig kümmerte er sich um minderjährige Frauen, die aus Russland in Viehwaggons deportiert worden waren, um als Sklavinnen für die deutsche Kriegsproduktion zu arbeiten. Viele von ihnen hatten keine Schuhe und litten Hunger. Rummel kochte fast täglich Kartoffeln und stellte sie an den Bordstein, damit die jungen Frauen, die dort jeden Morgen vorbeiliefen, sie unbemerkt einstecken konnten. Rummels Mut blieb von den Behörden unbemerkt. Er lebte bis zu seinem Tod 1956 in Nürnberg.
Quelle: testimon Verlag